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Theorien zum Ursprung des Knüpfteppichs

Die wenigen uns bekannten erhaltenen Teppichfragmente sind nicht die ältesten, sondern nur die ältesten erhaltenen Teppiche. Aufgrund des Mangels an Belegstücken und sonstigen Aufzeichnungen ist die Frage des Ursprungs des Knüpfteppichs auf Hypothesen angewiesen.

Die ältesten erhaltenen Teppichfragmente wurden an weit auseinander liegenden Orten gefunden. Ihre Datierung erstreckt sich über einen langen Zeitraum. Den nach heutigem Wissen ältesten Knüpfteppich fanden die russische Forscher Sergei Iwanowitsch Rudenko und M. Grjasnow im Jahr 1947 in einem skythischen Fürstengrab im Pasyryk-Hochtrockental im AltaigebirgeSibirien. Rudenko nahm an, dass der Teppich im 5. Jahrhundert v. Chr., zur Zeit der Achämeniden, entstanden ist, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im nomadischen Milieu.

Der Pasyryk-Teppich ist in symmetrischen Knoten geknüpft, die Fragmente aus Ostturkestan und Lop Nor weisen alternierende, um nur einen Kettfaden geknüpfte Knoten auf, die Fragmente aus At-Tar sind mit symmetrischen, asymmetrischen, und asymmetrisch in Schlingentechnik geknüpften Knoten geknüpft, während die Fragmente aus Fustāt Schlingegewebe, einzelne, oder asymmetrisch geknüpfte Knoten aufweisen. Die unterschiedlichen Knotentypen in den frühesten bekannten Teppichen, die an weit voneinander entfernten Orten gefunden wurden, legen nahe, dass die Knüpftechnik als solche sich an unterschiedlichen Orten entwickelt hat.

Erdmanns Theorie des hirtennomadischen Ursprungs

Kurt Erdmann nahm an, dass die ersten Teppiche mit geknüpftem Flor von Nomadenhirten geknüpft wurden, die sie anstelle von Tierfellen verwendeten, um den Boden ihrer Zelte vor Kälte zu schützen. Er stützt seine Hypothese durch die Beobachtung, dass Knüpfteppiche nur in bestimmten geographischen Gebieten (zwischen dem 30. und 45. Breitengrad) hergestellt würden, wo das Klima einerseits Schutzvorrichtungen gegen Bodenkälte verlange, andererseits eine Steppenvegetation vorherrsche, die es zwar ermögliche, Herdenvieh zu halten, aber nicht Tierfelle in ausreichender Menge zu erjagen. Nach der Entdeckung, dass durch das Einknüpfen unterschiedlich gefärbter Garne dekorative Muster gestaltet werden können, sei der ursprünglich der Funktion entsprechend lange Teppichflor immer kürzer abgeschoren worden, damit das Muster klarer hervortrete.

Chlopins Theorie der sesshaften Knüpfer

In bronzezeitlichen Frauengräbern einer festen Siedlung im südwestlichen Turkestan wurde von Igor N. Chlopin eine Anzahl Messer ausgegraben, die denjenigen bemerkenswert ähnlich sind, die von turkmenischen Knüpfern verwendet werden, um den Flor ihrer Teppiche zu scheren. Chlopin stellte die These auf, dass schon in der Bronzezeit in festen Siedlungen Knüpfteppiche angefertigt wurden.[12]Einige sehr alte Motive in turkmenischen Teppichen sind den Ornamenten auf alten Töpferwaren aus der gleichen Region sehr ähnlich.[13] Diese Funde legen den Schluss nahe, dass Turkestan eine der ersten Regionen sein könnte, wo Teppiche geknüpft wurden, aber nicht unbedingt die einzige. Für diese Theorie spricht, dass der älteste erhaltene Knüpfteppich, der Pasyryk-Teppich, bereits in sehr feiner Knüpfung mit sorgfältig und detailliert ausgeführter Musterzeichnung, auch unter Berücksichtigung der Fundumstände und Begleitfunde sicher kein Produkt des Nomadenzelts war. Die Theorie des hirtennomadischen Ursprungs ist damit nicht widerlegt. Es ist davon auszugehen, dass die Ursprünge der Teppichknüpferei sehr viel weiter in die Vergangenheit zurückreichen.

Stand der Forschung 

 

Schlingenwebung mit zusätzlichen Schussfäden

Im Licht der antiken Schriftquellen und der archäologischen Entdeckungen ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Technik des Teppichknüpfens aus einer älteren Webtechnik entwickelt hat, und zuerst in festen Siedlungen angewendet wurde. Möglicherweise hat sich die Technik zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten entwickelt. Während der Wanderungen nomadischer oder vertriebener sesshafter Gruppen, vielleicht aus Zentralasien, haben sich Technik und Muster im als „Teppichgürtel“ bekannten Gebiet ausgebreitet.

Mit einiger Sicherheit ist der Ursprung der Web- und Knüpftechnik in der Herstellung von Flachgeweben (Kelim) in Zentral- und Mittelasien zu suchen. Für ihr tägliches Leben stellten die Nomaden unentbehrliches Zubehör wie Säcke, Taschen, Decken, Flachgewebe, Teppiche und Wandbehänge für ihre Zelte her. Das Flechten wird als Vorstufe des Webens angesehen. Ein Gewebe herzustellen bedeutet im Prinzip nichts anderes als Kett- und Schussfaden eng zu verflechten und das Gewebe zu verdichten. Auf diese Weise entsteht ein dichtes, flaches Gewebe ohne Flor, ähnlich einem sehr groben Stoff. Flachgewebe waren immer Teil des nomadischen und bäuerlichen Alltags.[14]

Durch Einbringen zusätzlicher, lockerer oder in Schlingen eingewebter Schussfäden in der „Wickeltechnik“ entstehen dickere, schwerere Textilien.[15] Die Wickeltechnik mit zusätzlichen Schussfäden erzeugt entweder flache Soumak-Gewebe, wenn die zusätzlichen Fäden straff eingewoben werden, oder die Schlingengewebe. Bei der Schlingenwebung werden die Schussfäden um einen Führungsstab geschlungen, so dass auf der dem Weber zugewandten Seite des Teppichs Reihen von Schlingen entstehen. Wenn eine Anzahl von Schlingen fertiggestellt ist, wird der Stab entweder einfach herausgezogen, so dass die Schlingen geschlossen bleiben. Das fertige Gewebe erinnert dann an ein sehr grobes Frotteegewebe. Eine andere Möglichkeit ergibt sich daraus, dass die Schlingen noch auf dem Führungsstab aufgeschnitten werden können. Auf diese Weise entsteht ein Gewebe, das einem echten Knüpfteppich ähnlich sieht.[16] Im Gegensatz dazu werden echte Knüpfteppiche so hergestellt, dass einzelne Garnstücke in die Kettfäden eingeknüpft werden, wobei das Garn nach jedem Knoten abgeschnitten und das Gewebe nach jeder Knotenreihe mit Schussfäden befestigt wird. Es erscheint sehr wahrscheinlich, dass Knüpfteppiche von Menschen hergestellt wurden, die schon Erfahrung mit der Schlingenwebung hatten.

Pasyrk Teppich 5Jhd v.Chr. derzeit zu besichtigen im Louve Paris 

Das bekannte Buch von Kurt Erdmann 

"Seven Hundred Years"

Der teuerste Teppich der Welt

versteigert 2013 bei Sotheby´s für 

25,7 Millionen Euro

Soumak Flachgewebe 

Kelim 

Die Knoten

Der „türkische“ Gördesknoten ist ein symmetrischer Doppelknoten, der hauptsächlich in der anatolischen Knüpfkunst benutzt wird. Der anatolische Teppich beansprucht durch den Gördesknoten mehr Knüpfzeit und benötigt mehr der wertvollen Wolle. Beim symmetrischen oder türkischen Knoten schauen die beiden Enden eines Knotenfadens zwischen den entsprechenden beiden Kettfäden nach oben und bilden den Flor.

Der „persische“ Sennehknoten ist als asymmetrischer Einfachknoten charakteristisch für die persischen Teppiche. Der Begriff ist eigentlich irreführend, weil in der persischen Stadt Senneh (heute Sanandadsch) traditionell der symmetrische „türkische“ Knoten Verwendung fand. Beim asymmetrischen oder persischen Knoten schaut nur ein Ende eines Knotenfadens zwischen den entsprechenden beiden Kettfäden nach oben, während das andere Ende des Knotenfadens neben beiden Kettfäden nach oben geführt wird. Das freie Ende des Fadens kann sowohl auf der rechten als auch auf der linken Seite des Kettfadens herausschauen, was als „nach rechts“ oder „nach links öffnend“ bezeichnet wird. Dies ist wichtig, weil bestimmte Regionen oder Stämme jeweils spezielle Knoten verwenden. Es lässt sich leicht herausfinden, nach welcher Richtung asymmetrische Knoten öffnen, indem mit der Hand der seitliche Strich des Teppichs bestimmt wird.[38]

Eine geografische Zuordnung dieser beiden Knotentypen gibt es nicht. Beide werden (fast) überall angewendet.

Dschuftiknoten wird eine Knotenart genannt, die meist aus Ersparnisgründen statt zwei jeweils vier Kettfäden umfasst. Dschuftiknoten können symmetrisch oder asymmetrisch nach links oder rechts öffnend geknüpft werden.[39] Er findet seit Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem in für den Handel hergestellten Teppichen Anwendung, um Zeit und Material zu sparen, vor allem in größeren einfarbigen Bereichen des Teppichfelds. Der Dschuftikonten ergibt eine schlechtere Qualität,[40] weil verglichen mit der traditionellen Knüpfung nur die halbe Menge des Knüpfgarns gebraucht wird. Der Teppichflor ist dann nicht so dicht und nutzt sich schneller ab.[41]

Eine weitere Variante, der Einzelknoten, tritt in alten spanischen sowie koptischen Knüpfteppichen vor. Der Einzelknoten wird um einen einzelnen Kettfaden geknüpft. Diese Technik ist sehr alt und einige der von Aurel Stein in Turpan gefundenen Fragmente sind mit Einzelknoten geknüpft.[42]

Auch ungleichmäßige Knoten kommen vor, die beispielsweise einen Kettfaden auslassen, über drei oder vier Kettfäden geknüpft sind, einzelne Einzelknoten, oder zwei Knoten die asymmetrisch nach links oder rechts sich einen Kettfaden teilen. Oft finden sie sich in turkmenischen Teppichen, wo sie zu der besonders dichten und regelmäßigen Struktur dieser Teppiche beitragen.

Die versetzte oder offset-Knüpfung zeigt Knoten, die sich in aufeinander folgenden Reihen jeweils abwechselnd Kettfadenpaare teilen. Diese Technik erlaubt Farbwechsel von einem halben Knoten zum nächsten und erlaubt so das Knüpfen von Diagonalen in verschiedenen Winkeln. Eine solche Knüpfung ist manchmal in kurdischen oder turkmenischen Teppichen zu finden, vor allem in denen der Yomuden. Meist sind die Einzelknoten symmetrisch geknüpft.[42]

Der aufrechte Flor von Orientteppichen neigt sich meist zum unteren Ende des Teppichs, weil jeder einzelne Knotenfaden nach dem Knüpfen nach unten gezogen und abgeschnitten wird. Wenn mit der Hand über den Flor gestrichen wird, bietet ein Knüpfteppich einen „Strich“ wie ein Tierfell. Durch Bestimmen des Strichs lässt sich erkennen, an welchem Ende das Knüpfen angefangen hat. Gebetsteppiche werden oft von der Seite der Bogenspitze aus angefangen, also „auf dem Kopf stehend“ geknüpft. Wahrscheinlich gibt es dafür sowohl technische (die Knüpferin kann sich zunächst auf das kompliziertere Bogenmuster konzentrieren und das Feld später anpassen) als auch praktische Gründe, weil sich der Flor später in die Richtung des sich verbeugenden Beters neigt, was sich angenehmer anfühlt.

„Offset“-Knoten in versetzter Reihung

„Türkischer“ (symmetrischer) Knoten

„Persischer“ (asymmetrischer) Knoten, nach rechts offen

Varianten des „Dschufti“-Knotens, um vier Kettfäden geknüpft

Knüpfung mit geschichtetem Schussfaden

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